Aus der Biografie 3

3. Einfluss der Religion auf den jungen Robert Frost

Die fortschreitende Zerrüttung der Beziehung zwischen seinen Eltern muss in dem empfindsamen Jungen tiefe Spuren hinterlassen haben. Das Gedicht Home Burial in der 1914 veröffentlichten Sammlung North of Boston spiegelt – neben anderen zutiefst traumatischen Erfahrungen in Frosts Leben – vielleicht am deutlichsten (und grausamsten) diesen Verfall einer Liebe. Es endet in der offenen Drohung mit Gewalt: … She was opening the door wider. / 'Where do you mean to go? First tell me that. / I'll follow and bring you back by force. I will!—'*

Frost entwickelte ein ambivalentes Verhältnis zur Religion, was sich in vielen seiner Gedichte widerspiegelt. Eine „seltsame Mischung aus Skeptizismus und Glaube“ sei für Frost typisch geworden, schreibt Jay Parini*, "oft mit einem Hauch Calvinismus gefärbt, mit seiner Betonung von Gottes willkürlicher Bevorzugung bestimmter Seelen für das Himmelreich." Er führt als ein Beispiel das Gedicht The Fear of God (aus der Sammlung Steeple Bush, 1947) an: If you should rise from Nowhere up to Somewhere, / From being No one up to being Someone, / Be sure to keep repeating to yourself / You owe it to an arbitrary god / Whose mercy to you rather than to others / Won't bear too critical examination … Und noch in einem weiteren späten (und überaus vieldeutigen) Gedicht aus Steeple Bush, in Directive, betont Frost die Willkür Gottes: I have kept hidden in the instep arch / Of an old cedar at the waterside / A broken drinking goblet like the Grail / Under a spell so the wrong ones can't find it, / So can't get saved, as Saint Mark says they mustn’t.

Frosts Briefe, Gespräche und Gedichte seien, so Parini weiter, "mit religiösen Gefühlen gesättigt gewesen, mit Fragen nach Gott, Beschwörungen des Zweifels und Meditationen über Zeit und Ewigkeit." Die Frage ist, inwieweit frühe Kindheitserlebnisse hierfür herangezogen werden können. Eher spielt wohl die bis heute mächtige Präsenz der Religion in der amerikanischen Gesellschaft eine bedeutende Rolle. Sich damit auseinanderzusetzen, ist für jeden Heranwachsenden ein Thema, dem er nicht so leicht entkommt, besonders, wenn er, wie Frost, vom unbändigen Willen getrieben ist, den letzten Fragen der menschlichen Existenz bis auf den Grund nachzuspüren – und noch dazu in der Lage ist, diese Fragen in genialer Weise in unerhörte sprachliche Bilder zu kleiden.

* Jay Parini: Robert Frost – A Life, New York 1999

 

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