1894: Das erste "richtige" Gedicht
In dieses Jahr fiel ein wichtiger Schritt in Richtung von Frosts späterer Laufbahn als Dichter. Ähnlich wie einige Jahre zuvor bei La Noche Triste überfiel ihn eines Abends die Inspiration: Er schloss sich in der Küche ein und schrieb ein Gedicht nieder, zu dem ihm die Idee bereits während seiner Monate in Dartmouth gekommen war: Dort hatte er einmal unter toten Blättern einen Schmetterlingsflügel gefunden, und der zerbrechliche Flügel war ihm wie ein perfektes Bild für die Kürze des Lebens erschienen. Die ganze Zeit über hatte er sich mit dem Gedanken getragen, eine Elegie rund um dieses Thema zu schreiben. Obwohl Jeanie an die Küchentür hämmerte und ihr Glück auch an der ebenfalls versperrten rückwärtigen Tür versuchte, ließ sich Frost nicht stören. Er amüsierte sich nur über die Bemühungen seiner Schwester und öffnete die Tür nicht eher, bevor er eine ordentliche Fassung von My Butterfly: An Elegy zu Papier gebracht hatte.Es gibt in diesem Gedicht eine Passage, die Frost nach eigener Aussage wegen ihrer technischen Qualitäten in Klang, Rhythmus und Ton besonders gefiel: … The gray grass is scarce dappled with the snow; / Its two banks have not shut upon the river; / But it is long ago – / It seems forever – / Since first I saw thee glance, / With all thy dazzling other ones, / In airy dalliance, / Precipitate in love, / Tossed, tangled, whirled and whirled above, / Like a limp rose-wreath in a fairy dance … Frost nannte My Butterfly später sein erstes "richtiges" Gedicht, er nahm es 1913 in seine erste Gedichtsammlung A Boy’s Will auf. Noch war der Stil vorwiegend traditionell, der Spätromantik verhaftet, aber einige der Motive, die Frost ein Leben lang begleiten sollten, wie Naturmetaphern oder das Thema der Vergänglichkeit, waren bereits vorhanden. Besonders in der zitierten Passage, der zweiten Strophe, sieht Parini den Durchbruch zu einem eigenen Stil. Frost selbst sagte später von dieser Strophe, sie sei bereits so gut, wie alles, was er später geschrieben habe, "it was the beginning of me." Die Art und Weise, wie ein Mensch zum Dichter wird, verglich er mit der Entstehung einer Wasserhose auf dem Meer: man müsse beginnen wie eine Wolke aus allen Dichtern, die man je gelesen habe.
Er war von den Vorzügen des Gedichts so überzeugt, dass er wagte, es der New Yorker Wochenzeitung The Independent zur Veröffentlichung anzubieten, von der er wusste, dass sie offen für Poesie war. Die Schwester des Herausgebers William Hayes Ward, Susan Hayes Ward, die für Literatur in der Zeitung zuständig war, erkannte die in dem Gedicht steckenden Qualitäten. Im März 1894 schrieb der Herausgeber zurück, My Butterfly: An Elegy werde angenommen und legte einen Scheck über fünfzehn Dollar bei, Frosts erstes mit Gedichten verdientes Geld. Frost jubelte und schrieb einen begeisterten und dankbaren Antwortbrief: "Die Erinnerung an Ihr Schreiben wird mir eine lebhafte Freude beim Erwachen an vielen zukünftigen Morgen sein." Hayes Ward hatte auch nach weiteren Gedichten des, wie er zurecht vermutete, noch jungen Dichters gefragt und wollte etwas über Frosts literarische Ausbildung wissen. In seiner Antwort schrieb Frost, er hoffe, der Wert seines Gedichts würde mehr zählen als eine formale Ausbildung, von der er nur wenig vorweisen könne. Die wenigen Regeln, die er kenne, verdanke er seinem eigenen Nachdenken, oder stammten von den Meisterwerken, die er immer wieder gelesen habe. Das beste Training sei ein "unbeugsamer Ehrgeiz" (inflexible ambition), und was die Poesie angehe, so bedeute sie zu lieben das beste Studium.