1894: Liebeskummer
Inzwischen war Roberts Eifersucht auf Elinors Studentenleben an der St. Lawrence University angewachsen. Er litt sehr darunter, dass sie nicht bei ihm war, und versuchte sogar, ihre Mutter zu überreden, sie solle Elinor zurückholen, da sie an der Universität vielleicht nicht in der besten Gesellschaft sei. Er sandte ihr ein leidenschaftliches Gedicht, in dem er ihr unterstellte, sie hätte ihn vergessen: … Blame no one but yourself for this, lost soul! / I feared it would be so that day we met / Long since, and you were changed. And I said then, / She will forget, she will forget. (Drei Jahre später erschien das Gedicht unter dem Titel Warning im Independent, mit einer kleinen, aber wesentlichen Änderung: in der letzten Zeile änderte er das zweimalige "she" in "he" und tilgte damit den autobiografischen Bezug.)Elinor fand das Gedicht reichlich theatralisch, und schon gar nicht wollte sie sich als "verlorene Seele" sehen. In dem Brief, den sie ihm als Antwort schrieb, erwähnte sie allerdings die Namen einiger männlichen Kommilitonen, was für Robert Frost alles nur schlimmer machte. Als sie sich im Sommer 1894 trafen, versuchte er erneut, sie zu einer sofortigen Heirat zu überreden, was sie wieder ablehnte und ihm in Aussicht stellte, sie würde ihn nach ihrem Studienabschluss heiraten – wenn er sich bis dahin als Dichter oder auf andere Weise gesellschaftlich etabliert hätte. Er dagegen versuchte ihr klarzumachen, dass die Liebe vor allem anderen käme, sie seien einander doch versprochen. Und was die gemeinsame Zukunft angehe: wenn sie, wie sie sage, tatsächlich an seine Poesie glaube, dann sollte sie doch darin, dass er My Butterfly für bares Geld an den Independent verkauft habe, ein vielversprechendes Zeichen sehen.
Elinor White widerstand Frosts Bitten und kehrte im Herbst zur Universität zurück. Sie hatte, um die Studienzeit abzukürzen, ein beschleunigtes Lernprogramm gewählt und würde das Studium im Sommer 1895 beenden können. Die erneute Trennung stürzte Frost in tiefe Seelennot, da er jetzt überzeugt war, sie hätte sich einem anderen Mann zugewandt. Er machte einige lustlose Versuche, einen für ihn passenden Job zu finden, sogar in dem fast fünfzig Kilometer entfernten Boston, gab jedoch jedes Mal nach ein paar Tagen entnervt wieder auf. In dieser Zeit wagte er ein kurioses Experiment: Er hatte von Dichtern gehört und gelesen, die Alkohol stimulierend gefunden hatten, und wollte erproben, ob auch er auf diese Weise seine Kreativität beflügeln könnte. Er nahm sich ein Zimmer in einer Bostoner Pension, besorgte sich zwei Flaschen Wein und fing an, Gedicht über Gedicht zu schreiben, vor allem über seinen depressiven Gemütszustand. Abends noch beglückt über den offenbar gelungenen Versuch, war er am nächsten Morgen bestürzt über den gereimten Schund, den er hervorgebracht hatte, warf das Zeug weg und fuhr zurück nach Lawrence.
Um Elinor nicht zu verlieren, schien ihm eine romantische, wenn nicht dramatische Geste angebracht, die ihr seine Liebe verdeutlichen sollte. Er ließ zwei Exemplare eines schmalen Bändchens mit fünf seiner Gedichte, darunter My Butterfly, auf feines Leinenpapier drucken und in teures Leder binden, mit dem in Gold geprägten Titel Twilight ("Zwielicht"). Alle Gedichte bezogen sich in irgendeiner Weise auf seine Sehnsucht nach Elinor, das titelgebende Twilight etwa endet mit den Zeilen: … Thy spirit and my spirit pass in air! / They are unmemoried consciousness, / Nor great nor less! / And thou art here and I am everywhere! Während My Butterfly nahelegte, dass die Liebe zwischen beiden tot war, deuteten die anderen Gedichte an, dass Frosts Liebe zu Elinor "unrealistisch, schmerzlich und töricht" (Hart) gewesen sei. Vielleicht, so spekuliert Hart, hätte Elinor Mitleid mit ihm, wenn er seine verwirrten Gefühle vor ihr ausbreiten würde, und Thompson kleidet Frosts Empfindungen in dramatische Worte: Die Zeit sei gekommen, einen entscheidenden Schlag im Namen der Ehre zu führen. Er würde die Zitadelle erstürmen, auch wenn er im kühnen Kampf eine Niederlage erleiden sollte. Und als seine stärkste Waffe würde er Twilight einsetzen.